Am Ende kam alles besser

Berufliche Umorietirerung nach Rheumadiagnose

Bookholzberg - „Ich wollte immer etwas mit Menschen machen, etwas Kreatives“, sagt Sandra Kerber. Für die heute 33-Jährige stand früh fest, wie sie ihr berufliches Leben gestalten wollte: Ihr Traumjob war Floristin. Und der Traum gelang: Acht Jahre lang band sie Blumensträuße und fertigte Kränze, Brautschmuck oder Trockengestecke nach eigenen Ideen oder Kundenwünschen an. „Das hat mir unglaublich viel Freude bereitet“. Doch mit 27 Jahren ging körperlich nichts mehr. Ihr linker Arm ließ sich nicht mehr schmerzfrei bewegen, selbst Schmerztabletten halfen nicht. Es dauerte, bis die finale Diagnose kam – und sie traf die junge Frau Niedersachsen wie ein Hammer. „Ein paar Jahre zuvor hatte man mir aufgrund von Beschwerden im Knie bereits eine Rheumaerkrankung attestiert. Aber ich hatte das einfach verdrängt.“ Nun ließ sich nichts mehr verdrängen. Sandra Kerber konnte ihren Beruf nicht mehr ausüben. „Es war eine schlimme Zeit“, erzählt sie. „Ich musste verkraften, dass ich – eine junge Frau – unter Rheuma leide, eine Krankheit, die für mich mit Alter verbunden war.“ Und sie musste den Verlust ihres Traumjobs verarbeiten. „Ich wusste nicht, wie es beruflich für mich weitergehen sollte“, erinnert sie sich. Sie fiel in ein tiefes Loch.

Reha stellt Weichen neu

Eine medizinisch-berufliche Reha-Maßnahme sollte helfen, in deren Anschluss zu prüfen war, ob sie einen Anspruch zu den so genannten Leistungen zu Teilhabe am Arbeitsleben hat. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die Betroffenen die Rückkehr ins Erwerbsleben ermöglichen sollen. Der Antrag wurde gestellt – und zu Sandra Kerbers Freude kam im März 2020 die Bewilligung. Allerdings nicht nur diese, sondern auch die Corona-Pandemie. „Da stand ich mit der Bewilligung in der Hand, aber konnte erstmal keinen Reha-Berater erreichen“, erzählt sie. Die junge Frau überlegte derweil, was sie künftig beruflich machen wollte. Über eine Freundin, die zuvor im BFW Weser-Ems der INN-tegrativ gGmbH eine Umschulung zur Arbeitspädagogin gemacht hatte, lernte sie dieses Berufsbild kennen – und schnell wurde ihr klar. „Das ist das Richtige für mich.“

Am Telefon konnte sie schließlich mit ihrem Reha-Berater die nächsten Schritte besprechen: Um sicherzugehen, dass sie auch die notwendige Eignung für ihren neuen Wunschberuf mitbrachte, absolvierte sie eine Arbeitserprobung, danach ein Praktikum in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sowie am Ende einen Eignungstest. Als dann feststand: „Sie sind für diesen Beruf geeignet!“ war Sandra Kerber überglücklich. Vor der eigentlichen Umschulung belegte sie erst noch einen Reha-Vorbereitungslehrgang. „Das hat mir viel gebracht“, so ihr Fazit: „Ich habe gelernt, zu präsentieren und vor anderen Menschen zu sprechen.“ Damit hatte sie in der Umschulungsmaßnahme einen guten Start. Leicht war es für sie trotz allem nicht. „Lernen war früher nie meine Stärke. Aber mir war es so wichtig, die Prüfung zu schaffen, dass ich gewissenhaft alles vor- und nachbereitet habe.“

Von der Prüfung in den Job

Der Erfolg gab ihr Recht: Sie bestand alle Prüfungen – ja, mehr als das: Einer der Prüfer war so angetan von ihren Fähigkeiten, dass er sie direkt nach der Prüfung fragte, ob sie sich nicht bei ihm in der Werkstatt der Lebenshilfe Seelze bewerben wollte. Gesagt, getan - und nahtlos in ein festes Beschäftigungsverhältnis gewechselt. Seit Januar 2023 arbeitet Sandra Kerber dort als Gruppenleitung im Bereich „Hausservice/Montage“. Ist sie glücklich mit dem neuen Job? „Sehr sogar“, lacht sie. „Ich liebe die Vielseitigkeit der Tätigkeit. Diese beugt zudem der schädlichen Einseitigkeit vor, die ihrem ersten Job als Floristin ein Ende bereitet hatte.

Sandra Kerber ist heute voller Dankbarkeit: „Ich dachte, ich hätte meinen Traumjob wegen meiner Erkrankung aufgeben müssen“, sagt sie im Rückblick. „Stattdessen habe ich meinen Traum weiterentwickeln können. In meinem neuen Beruf kann ich kreativ sein und mit Menschen arbeiten – genau wie ich es mir immer gewünscht habe.“ Am Ende ist alles besser gekommen, als sie es sich hätte vorstellen können. Eine Erfahrung, die sie inzwischen als Landesansprechpartnerin der jungen Rheumatiker der Rheuma-Liga in Niedersachsen weitergibt: „Auch mit Rheuma kann man eine erfüllende Beschäftigung haben“, macht sie anderen Betroffenen Mut. Die Umschulung im BFW Weser-Ems hat es möglich gemacht.

Bild 1: Sandra Kerber geht auch in ihrem neuen Job ihrer Leidenschaft nach und arbeitet mit Menschen

Bild 2: In der Werkstatt der Lebenshilfe Seelze ist die ehemalige Rehabilitandin aktiv

Bild 3: Als Gruppenleitung gehört auch die Arbeit am Schreibtisch dazu

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